Presse/Rezensionen



von rls

Ein äußerst originelles Tonzeugnis liegt mit dieser Doppel-CD vor. Das Trio-Speziale und das Trio-S unterscheiden sich genau in einem Mitspieler samt zugehörigem Instrument - aber was das für einen musikalischen Unterschied bedeuten kann, das machen die fünf Stücke "Chicken Dance", "Dope", "Linda", "Arabica" und "No Emotion" deutlich, die auf beiden CDs vertreten sind, freilich nicht in identischer Reihenfolge und mit wechselnden Nachbarn, somit auch in diesem Kontext noch einmal Variationsbreite gewinnend. Zu all dem sind die dreizehn Songs der Trio-Speziale-Scheibe auch noch eine Studioproduktion, während die zwölf Trio-S-Beiträge einem Konzertmitschnitt entstammen. Und um das Ganze noch zu steigern: Beim Trio-Speziale ist der dritte Mann ein Gitarrist und damit am gleichen Instrument aktiv wie einer seiner beiden Mitmusiker, während beim Trio-S der dritte Mann ein Keyboard mit sich herumschleppt, aber keinen Instrumentenkollegen neben sich hat. Soweit die theoretische Konstellation. In der Praxis sieht das so aus, daß Gitarrist Thoralf Pötsch (auch zentraler Ideeneinbringer) und Percussionist Göran Schade in beiden Formationen mitwirken. Beim Trio-Speziale stößt Zweitgitarrist Anton Kirch zu ihnen, so daß sich ein Gesamtbild ergibt, das noch relativ nahe am klassischen Liedermacher-Prinzip liegt, nur eben ohne Gesang. Beide Gitarristen bearbeiten Akustikgitarren und nutzen die Möglichkeiten zweier gleichartiger Instrumente im Dialog so weitreichend wie möglich aus, wenn man etwa mal das fugenartig anhebende und fast schon klassisch harmonisierte "Meinz", mit 5:23 das längste Stück der ersten CD, als Exempel hernimmt. "Samba des Todes" wirbelt in seinen knapp über fünf Minuten ebenfalls äußerst gekonnt zwischen Entspannung und wilder Dramatik hin und her, "Funny Farm" und "Chicken Dance!!!" (ja, hier mit drei Ausrufezeichen!!!) bilden idealtypische Situationen der Landwirtschaft nach, und sogar Radprofi Jens Voigt bekommt ein Stück gewidmet, auch wenn die Namensgebung eher einem Zufall entsprang und die dreieinhalb Minuten auch "Lance Armstrong", "Dshamolidin Abdushaparow" oder gar "Täve Schur" hätten heißen können. "Kling Klang" ist zum Glück keine Coverversion des zu DDR-Zeiten zumindest noch subversiv wirkenden, übergreifend betrachtet aber wenig berauschenden Keimzeit-Stückes, obwohl als Produzent der Scheibe auch noch Jürgen Block fungierte, der seine Brötchen ansonsten als Keimzeit-Techniker verdient (das Glockenspiel prägt dieses Stück an den zentralen Stellen), ein Titel wie "Quantenkatze" erklärt sich aus dem Hauptberuf von Anton, nämlich Physiker, und "Ich will......" lebt nicht zuletzt von der originellen Percussionsarbeit. "Arabica" wiederum möchte im religiösen Maßstab eklektizistisch sein (Islam, Christentum, Rock'n'Roll, Blues), aber ... 
... das gelingt der Fassung des Trio-S dann doch besser. Hier ist Reno Schröder als dritter Mann dabei, und der spielt wie eingangs erwähnt Keyboard, woraus per se ein weit umfangreicheres Arsenal an Klangfarben resultiert, das man je nach Wunsch puristisch oder opulent einsetzen kann. Von den Möglichkeiten machen die Musiker dann oft und gerne Gebrauch, was den erwähnten fünf Doppelnummern ein anderes Gesicht gibt, wobei in den meisten Fällen die Fassung, die der Hörer bevorzugt, Geschmackssache bleiben wird - es sei denn, es treten programmatische Überlegungen hinzu wie eben bei "Arabica": Die Fassung des Trio-Speziale ist durchaus nicht schlecht, und der Blues-Purist wird diese vielleicht sogar vorziehen, aber die Intention war ja eigentlich die übergreifende kulturelle Verschmelzung, und die gelingt in diesem Falle mit den Zusatzeffekten des Keyboards zwingender. Der Rezensent hat das Trio-S anno 2015 auch live gehört und konnte sich somit aus erster Hand von der Bühnentauglichkeit dieser Inkarnation überzeugen, wobei im vorliegenden konservierten Fall in einigen Stückpausen Applaus erklingt, während er in anderen offenbar herausgeschnitten worden ist. In "Keine Ahnung" bekommt der Percussionist während des Stückes allerdings sogar Szenenapplaus. Der "Chicken Dance" muß hier übrigens ohne Ausrufezeichen auskommen, und es wird auch nach intensivem Hören nicht so richtig klar, ob das eine Absichtsentscheidung war und, wenn ja, was dahintersteckt. Daß es auf dieser Scheibe insgesamt mehr Bombast geben wird, obwohl Pötsch bei der Bearbeitung einer Akustikgitarre bleibt, macht auch dem unbedarften Hörer schon das knapp zweiminütige Intro klar - daß dieser aber keineswegs die gesamten 50 Minuten füllt, erkennt man spätestens im folgenden "Puls", einem insgesamt sechsminütigen Stück mit vergleichsweise wenig Einsätzen des Percussionisten, der lange Zeit aufs Glockenspiel fokussiert ist. Erst nach mehr als einem Drittel der Spielzeit nimmt das Stück dann doch noch Fahrt auf, zumindest interludiumsartig, während der Hauptteil in diesem bereits seit Beginn entwickelten entspannten Gestus verbleibt, der durchaus ein wenig an den Aufbau von Pink Floyds "Shine On You Crazy Diamond" erinnert. Linda Pötsch, Thoralfs Tochter, wiederum scheint zu einem ganz liebreizenden Wesen herangewachsen zu sein, denn CD 2 enthält als Fortsetzung des vier Jahre vor ihrer Geburt geschriebenen "Kinderliedes" "Linda" eine entsprechende Fortsetzung namens "Linda 2". Bisweilen beschränkt sich der Keyboarder darauf, eine Art Baßgitarre zu imitieren, etwa in "Dope" - dafür tritt er aber an anderer Stelle umso stärker in den Fokus, etwa im abschließenden "Schröder Versus Pötsch", das nach dem Ruhepol "No Emotion" nochmal die große Bombastkeule schwingt und auch 2015 live überzeugen konnte. So bietet die Doppel-CD nicht nur Stoff zum Analysieren, sondern bereitet auch ganz simpel viel Hörfreude. 



 

CrossOver Hauptseite    03.02.15 11:01
Trio-S    31.01.2015    Bad Lausick, Evangelische Fachschule
von rls
Auch nach der Kirchenbezirksverschmelzung bleibt es eine schöne Tradition im Leipziger Land, erstens in Gitarrenseminaren die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens mit höheren Fertigkeiten an diesem Instrument auszustatten und zweitens am Samstagabend den jeweiligen Dozenten entweder solo oder mit einem seiner Bandprojekte zu einem Konzert einzuladen. Anno 2015 findet das Ganze in der Evangelischen Fachschule in Bad Lausick statt, und wie bereits vier Jahre zuvor an gleicher Stelle ist Thoralf Pötsch der Dozent. Hatte er weiland abends allerdings mit dem Trio-Speziale gespielt, so ist nach einer Umbesetzung daraus das Trio-S geworden, wobei der Rezensent anno 2011 nicht anwesend war, ergo keine Direktvergleiche ziehen kann außer der theoretischen Erörterung, daß das Trio-Speziale neben dem Percussionisten Göran Schade und (logischerweise) Pötsch noch einen Zweitgitarristen am Start hatte, während im Trio-S der Keyboarder Reno Schröder der Dritte im Bunde ist. Das eröffnet vom Klangfarbenspektrum her natürlich ganz andere Möglichkeiten, und die nutzen die drei selbstredend aus, auch wenn die Keyboards im Gesamtklangbild des Abends bisweilen ein wenig zu stark im Hintergrund stehen und dafür die Percussion hier und da etwas "vorschmeckt". Schröder rollt allerdings in vielen Songs tatsächlich nur den Klangteppich für Pötschs Gitarrenkünste aus, imitiert auch häufig den in der Besetzung fehlenden Baßgitarristen, und dort, wo er mit solistischen Funktionen in den Vordergrund tritt, wird er dann auch im Klangbild entsprechend nach vorn gerückt.Schades Rhythmusfundament wiederum erweist sich als in den nach Tanzformen benannten oder zumindest ebensolche assoziierenden Tracks als besonders wichtig - und davon gibt es im Set eine ganze Menge, sei es der ziemlich flotte "Chicken Dance" als erster Song, den der eine Viertelstunde zu spät kommende Rezensent erlebt, der in zwei Teile mit völlig unterschiedlicher Zugänglichkeit (abweisend vs. liebreizend) gegliederte "Spanish Waltz" im zweiten Set oder der ebenfalls gedoppelte "Tanz der Elfen", der die "Elfen-Trilogie" rahmt und beweist, daß es Elfen unterschiedlicher Gewichtsklassen geben muß. Pötschs geschicktes Händchen für Dramatik wird nicht nur im Mittelteil der Trilogie, "Der Auszug der Elfen", deutlich, aber dort bricht sich die lautmalerische Hand besonders stark Bahn. "Keine Ahnung" hingegen verquickt scheinbar völlig konträre Beiträge der drei Musiker noch vor dem ersten Unisono zu einem großen Ganzen, läßt bisweilen spanische Anklänge in der Gitarrenarbeit erkennen und verschafft Schade für sein Fast-Solo lauten Szenenapplaus des Publikums. Gegebenenfalls agieren allerdings auch die anderen Musiker perkussiv ("Pünktchen"!), und ihren Mix aus Ernsthaftigkeit und Humor beweist die Ansage zu "Arabica", daß man in diesem Song versucht habe, "möglichst viele Weltreligionen zu verknüpfen: Islam, Christentum, Rock'n'Roll ...". "Schneewittchen und der 8. Zwerg" erkundet wieder andere selten gehörte Musikwelten (wer schreibt schon Songs im 7/4-Takt?), während das sarkastisch betitelte, aber kuschelkompatible "No Emotion" und das brandneue "Die Zeit" die gefühlvolle Seite des Bandsounds widerspiegeln. Der Setcloser "Schröder vs. Pötsch" gibt dann dem Affen nochmal eine Großportion Zucker, indem er wildes King-Crimson-kompatibles Gefrickel mit handgemachten (!) Dancefloorsounds (!!) verquirlt, und als Zugabe packen die Musiker noch die einzige Fremdkomposition des Abends aus, nämlich das bekannte Bach-Air (das auch als Inspirationsquelle für Procol Harums "A Whiter Shade Of Pale" gedient hat) in einer Fassung für Gitarre und vierhändiges Keyboard. Zwar hätte der Rezensent gerne noch "Lublin" gehört, aber man kann ja nicht alles haben, und vielleicht ist Pötsch in vier Jahren mal wieder Dozent ...
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